Frauen-Theater-Performance
Am Freitag den 30. Oktober setzen wir, Helen, Raquel und Marianne, uns in den Zug und fahren nach Hamburg. Es ist drei Tage vor dem zweiten Lockdown und gleicht ein Wunder, dass das Team um die Konferenz „Burning Issues meets Kampnagel“ einen Weg gefunden haben, diese stattfinden zu lassen. Magdalena ist das erste mal dabei, und wir freuen uns auf ein Wochenende voller Gespräche, Vorträge und neue Pläne für das Magdalena München.
Für diejenigen, die es noch nicht kennen: “Burning Issues” ist eine jährliche Konferenz für Gleichberechtigung im Theater. In 2018 als Konferenz für Frauen im Theater gegründet, ist die dieses Jahr schon offener gestaltet: Es geht um Diversität, Gleichberechtigung der unterschiedlichsten Gender, People of Colour und Menschen mit Behinderung, es geht darum, die Vorherrschaft des weißen Mannes als Chef im Theater zu beenden, was vor allem durch Netzwerken passieren soll: Dafür ist Burning Issues da.
Im Voraus haben wir versucht Antworten auf folgende Fragen zu formulieren: Was macht Magdalena München aus? Was unterscheidet das Magdalena Project von anderen Netzwerken? Was wollen wir erreichen? Oft ist es nicht einfach gewesen, das Netzwerk für Außenstehende verständlich zu präsentieren, weil unsere Arbeit für und von autarke und genremäsig sehr unterschiedliche Künstlerinnen* immer auch andere Merkmale trägt.
Den Startschuss in die Diskussion des Wochenendes macht der Film „Millies Erwachen“ von Dr. Natasha A. Kelly. Der Film porträtiert acht deutsche Künstlerinnen of Colour und stellt die Frage, in welchem Kontext du deine Werke ausstellst und wer diesen Kontext gemacht hat: Möchtest du überhaupt in einem Kontext ausstellen, der dich nicht unbedingt repräsentiert? Das ist zum Beispiel eine Frage, worauf das Magdalena Netzwerk “Nein” antwortet und stattdessen einen eigenen Kontext schafft, der nach unseren Wünschen gestaltet ist. Das beinhaltet schon mal Bühne, Fortbildung und Solidarität. In “Millies Erwachen” erzählen einige von den Frauentreffen, die sie in den siebzigern und achtzigern veranstalteten, und die ihnen für die Kunst viel Unterstützung und Selbstvertrauen gaben. Das war eine Zeit aus der auch das Magdalena Project entstand und die damaligen Frauenbewegungen sind sicher ein Schüssel zum Verständnis vom Netzwerk.
Der Samstag steht im Zeichen des „Marktplatz der Möglichkeiten“, wo Gruppen, Projekte und Netzwerke sich mit einem Marktstand vorstellen. Hier stellen sich einige Ensembles vor, die diversitätsoffen ausbilden und arbeiten, wie unsere Standnachbar*innen “Meine Damen und Herren”. Sehr präsent sind auch die vielen Netzwerke, die aus dem “ensemble-netzwerk” entsprungen sind, die vor allem für Gleichberechtigung in den unterschiedlichen Gewerken in Theatern arbeiteten, neben uns auch das Netzwerk “Gefährliche Arbeit” für queer-feministische FLINT* Theaterarbeiter*innen in den technischen Gewerken.
Unser Stand ist übersät mit Flyer und Poster von Magdalena-Veranstaltungen und Festivals Europa- und Weltweit, sowie die Veröffentlichungen von „The Open Page“. Bei dem recht ausgiebigen Material meinen einige Gäste, dass es seltsam ist, dass sie von Magdalena noch nichts gehört haben. Wir sind in Deutschland tatsächlich nicht stark vertreten, und es ist ein großer Teil unserer Überlegungen gewesen, warum das so ist. Choreographin Sonya Lindfors liefert uns in ihrem Vortrag eine Formulierung, die eine Erklärung näher kommt, als sie sagt, dass die Differenzierung zwischen Kunst als Kunst und Kunst als Kultur aufgelöst werden muss. Das ist eine Spaltung, die in der deutschen Theatertradition stark vorhanden ist, warum “Welttheater” in Deutschland eher keine Anerkennung ist. Das ist aber eine Differenzierung die das Magdalena nie machte, es ging von Anfang an um ein Genre-übergreifendes Interesse für die professionelle Arbeit von Frauen*. Es scheint, dass es vor allem die publizistische Tätigkeit ist, durch die unsere Gäste ein Verständnis dafür bekommen, dass es sich um ein professionelles Netzwerk handelt.
Für Magdalena München und das Magdalena Project ist es tatsächlich ein Ziel Künstlerinnen*, die in einer Art Peripherie oder Nische arbeiten, zu fördern. In den Vorträgen und Diskussionen, die am Samstag Abend und Sonntag fortgesetzt werden, erfahren wir immer wieder, dass das Magdalena Project vieles von dem lebt, was gefordert wird. Es ist von vorne hierein nicht-hierarchisch, Genreübergreifend und die Mitglieder arbeiten autark, was auch der Grund ist, warum das Netzwerk international agieren kann, denn die Veranstaltungsmöglichkeiten ergeben sich aus den Umständen der einzelne Akteure. Und es ist persönlich, man schaut sich die Arbeiten von einander an, nimmt Fortbildungen bei einander, und trifft sich, wenn man in der Stadt ist.
So treffen sich Sonntag auch Helen und Raquel mit Gilla Cremer für eine kleine sonnige Stadtführung. Marianne hört sich den letzten Vorträgen an, wo es vor allem um die Ausbildung von Schauspieler*innen, und wie diese diverser werden kann, geht. Es ist die Frage, wieso und wer davon profitiert, dass Institutionen mit Ausschlusskriterien arbeiten. Joseph Beuys wurde damals gekündigt, als er alle Bewerber*innen der Kunstakademie zulassen wollte. Die Antwort wieso sich diese Praxis nicht maßgeblich geändert hat, können wir wohl in einer patriarchalen Angst um Bedeutungsverlust suchen.
Die Akteur*innen und Teilnehmer*innen der Burning Issues meets Kampnagel rütteln an dieser Angst und suchen Verbündete um den Bedeutungsverlust herbeizuführen, damit Strukturen der Diversität und Gleichberechtigung Normalfall wird. Auch wenn das Magdalena außerhalb der etablierten Strukturen arbeitet, ist es unglaublich wertvoll im Austausch mit anderen Netzwerken und Gruppen zu sein, deren engagierten Arbeit nur inspirieren kann. Wir haben uns sehr gefreut dabei zu sein.
Nun, welche sind für Magdalena München die nächsten Schritte? Auf der Zugfahrt zurück waren wir eigentlich zu müde um es zu beantworten. Aber wir haben Ideen, wir haben Pläne entworfen und wollen uns mit euch demnächst Treffen!